
Emphysem & Narkose
Alpha-1 Treffen in 2002 in der Ruhrlandklinik Essen
Auszug Stellungnahme zu: Warum sind Narkosen für Emphysemkranke so
problematisch?
Referent: Oberarz Dr. Steveling
[...] Dann wären wir am letzten Punkte, das ist die Frage der Narkose und das Emphysem. Ich habe gerade in der Pause noch mit jemandem gesprochen, dessen Narkose ist abgelehnt oder sogar abgebrochen worden während eines orthopädische Eingriff oder ein sonstigem operativen Eingriff. Ein Emphysemkranker kann einem Anästhesisten Herzklopfen machen oder zu Überlegungen wie "Das kann man doch bei Ihnen nicht in Allgemeinnarkose machen". Sie wissen, dass für die Allgemeinnarkose Mittel gegeben werden, die zwei Dinge machen.
Das eine ist, sie nehmen uns unser Bewusstsein, d. h. wir kommen in einen Schlaf, bei dem wir nichts mehr von der Außenwelt wahrnehmen. Die zweiten Dinge sind muskelrelaxierende Medikamente, d. h. Substanzen, die neben unserer Atemmuskulatur auch alle anderen Muskeln stilllegen. Diese Dinge können Narkoseärzte geben in Form von intravenösen Spritzen oder aber, das wird meistens mit intravenösen Spritzen kombiniert, über Gase, die das Bewusstsein nehmen. Um einen solchen Patienten dann nicht ersticken zu lassen weil er ja nun keine Atembewegungen mehr macht, wird in die Luftröhre meist durch den Mund ein Schlauch eingelegt, der sogenannte Tubus, an dem ein Beatmungsgerät angeschlossen und dann die vom Patienten nicht mehr durch- geführte Atmung aufrechterhalten wird. Das Problem bei Emphysempatienten ist im allgemeinen gar nicht dass man sie in den Schlaf versetzen kann und beatmen kann, sondern das Problem ist, wie kommt er aus der Narkose wieder raus. Wie lernt er wieder, wenn die Narkose eigentlich vorbei ist, das Narkosegas nicht mehr Bewusstlosigkeit hervorruft, mit der eigenen Atmung zu beginnen? Das ist ja so, dass der Patient mit fortgeschrittenem Emphysem andere Blutgassituationen hat als der gesunde Patient, er hat im allgemeinen etwas weniger Sauerstoff, er hat, meistens , einen etwas höheren Kohlendioxydgehalt und der Anästhesist muss die Narkose ja so führen, dass er für den operativen Eingriff eine ausreichende Sauerstoffversorgung hat, dass der Patient während der Narkose nicht übersäuert wird, also er strebt mit seiner Maschine eine normale Blutgassituation an. Um das zu tun, muss er Luft mit einem bestimmten Sog hineinpusten, der Emphysempatient hat die Lippenbremse gelernt, das Überblähen seiner Lunge bei tiefer Einatmung zu vermeiden und das kann der Narkosearzt bei seiner Narkoseführung nicht, er kann nur die Luft hineinpusten, es gibt aber keine Möglichkeit, das Ausatmen im Sinne der Lippenbremse zu verzögern. Sprich: der Patient hat das Problem, dass er im Rahmen der Narkosebeatmung eine sehr starke Lufteinblasung erfährt, was also im Extremfall bei großen blasigen Veränderungen sogar dazu führen kann, dass Lungenrisse entstehen, weil die Blasen unter dem hohen Druck bei Einpusten reißen, was in einen sogenannten Pneumothorax resultiert.
Insbesondere bei Patienten, die ein sehr großes bullöses Emphysem haben ist das eine der gefürchteten Komplikationen, die Narkoseärzte bei Emphysempatienten befürchten. Wie auch bei uns in der Klinik und davon haben wir natürlich wirklich viele Patienten, die gelegentlich mal unter einer Narkose aufgelegt werden. D. h., das Pneumothoraxrisiko ist eines der Risiken das der Anästhesist bei einem Emphysempatienten hat. Das Hauptproblem, wie schon gesagt, ist die Frage, findet der Patient seine eigene Atmung wieder, wenn die Wirkung der muskelentspannenden Mittel und Narkosemittel weg sind. Der Patient liegt auf dem Rücken, ihm fehlt die Möglichkeit, seine Hilfsmuskulatur einzusetzen. Er kann also nicht seine Hände aufstützen, er kann nicht den Schultergürtel einsetzen um mit der Halsmuskulatur, mit der Rückenmuskulatur seine Atmung zu unterstützen. Er hat in Rückenlage den Druck des Bauches auf das Zwerchfell, das er dann nicht mehr nach unten runter bekommt bei der Einatmung, so dass es bei der Entwöhnung des Patienten durch die atemmechanischen Veränderungen der Emphysematiker in seiner Atemmuskulatur, seinem Zwerchfell und seiner Hilfsmuskulatur halt problematisch werden kann. Das sind eigentlich die Hauptprobleme, die dem Anästhesisten bei allen Eingriffen, die normalerweise eine Narkose haben, entstehen. Alternativen für die Emphysempatienten sind z. B. Lokalanästhesie für Operationen im Bereich der Augen, Operationen im Bereich der Extremitäten, Rückenmarksnarkose für Operationen im Bereich des Hüftgelenkes, so dass die Angst des Anästhesisten, "wie kriege ich den Patienten von der Beatmungsmaschine nach der Narkose wieder weg ?" und "habe ich das Risiko, dass eine der Emphysemblasen platzt ?" nicht entsteht.
Wobei es also nicht so ist, dass der Alpha -1- Patient schlimmer dran ist oder gefürchteter ist als der Patient, der ein raucherbedingtes Emphysem alleine hat. Emphysem ist hier unabhängig von der Entstehung des Emphysems durch Alpha -1 oder durch Rauchen, es ist immer problematisch. Wichtig ist, dass wenn eine Narkose bei Ihnen durchgeführt wird, das ein sehr erfahrener Mann macht und eine ausgedehnte Lungenfunktionsprüfung unbedingt vor der Operation durchgeführt wird. Die Frage, wir haben das vor Jahren schon einmal diskutiert, brauche ich einen Notfallausweis, damit man weiß ich bin ein Emphysempatient? Wir haben bisher noch keinen entworfen, es gibt auch keinen, den man einem Patienten mitgeben kann. Im allgemeinen wird vor operativen Eingriffen der Brustkorb geröntgt, das Emphysem wird ersichtlich und der Anästhesist weiß, womit er bei diesem Patienten rechnen muss, insbesondere bei der Entwöhnung.
Frage:
"Kann man im Verhältnis der Ausschaltung des Bewusstseins und der
Muskelentkrampfung gar nichts ändern? "
Dr. Steveling:
"Man kann insofern verändern, als man Mittel geben kann, die sehr
rasch wieder abgebaut werden, so dass dieser Prozess zwischen - ich bin ganz
weit weg und ich werde wieder wach, meine Muskulatur rührt sich überhaupt
nicht und sie hat wieder volle Kraft, möglichst kurz ist. Diese Mittel
gibt es, diese Mittel sind sehr teuer, wie alle Dinge die neu sind, So dass
wir eine Narkose mit kurzwirksamen Mitteln, die also ganz schnell wieder den
Patienten wach werden lässt, mit etwa 20 x höheren Kosten fahren
müssen. Aber wenn ein Eingriff normal erfolgt, außer bei einem
Notfall, wird das, glaube ich, jeder Anästhesist in dieser Form machen
trotz der höheren Kosten. Denn je schneller der Patient vollkommen wieder
wach ist, seine Muskelkraft vollkommen wieder da ist um so einfacher ist der
Übergang von - ich brauche gar nichts zu tun, die Maschine übernimmt
die komplette Beatmung bis - ich bin ganz wach, ich kann jeden einzelnen Atemzug
der kommt zum Ein- und Ausatmen ich kann meine Hilfsmuskulatur einsetzen,
umso besser ist das. Das kann man machen.
Frage:
Eine Narkose ohne Muskelentspannung gibt es nicht?
Dr. Steveling:
Gibt es auch, aber die ist nicht in allen Fällen ausreichend um einen
operativen Eingriff zu machen. Es gibt Narkosemittelflüssigkeit, die
eine kurze Narkose macht und im Prinzip, wenn man das Narkosemittel abstellt,
kann der Patient wieder aufstehen und ist voll da. Wichtig ist nur, dass man
als Patient den Anästhesisten auf das Problem hinweist. Und insbesondere,
ich weiß nicht ob hier welche dabei sind, die schon einmal an der Beatmung
gewesen sind, dass man Erfahrungen aus dieser Zeit dem Anästhesisten
mitteilt, dass die wissen, wo das Problem gelegen hat. Denn wenn man weiß,
wo das Problem liegen kann, kann man es schneller erkennen und dagegen steuern.