(von Ulrich Schwick)
Bevor ich anfange,
auf nähere Details einzugehen, ein kurzes Vorwort zu meiner Person. Ich bin am
24 Dezember 1999 gegen Abend aus dem freien Stand hingefallen, die Gleichgewichtskontrolle
hatte gänzlich versagt. Die Diagnose hieß GBS-CIDP, was eine Autoimmunkrankheit
ist, die das periphere Nervensystem angreift. Die Erkrankung gilt an und für
sich als heilbar. Wie dem auch sei, ich leide bis heute unter starken
Lähmungen. Ich war vor meiner Krankheit leidenschaftlicher Natursportler:
Lenkdrachen, Schlittschuh, Inliner, Ski, Wandern, Wanderpaddeln, im Urlaub
Schwimmen und Schnorcheln. Insbesondere hat es mir aber das Mountainbike-Fahren
angetan. Mir war von Anfang an klar, dass für die verloren gegangenen
Fähigkeiten adäquater Ersatz her musste, um nicht gänzlich zu resignieren.
Das erste, was ich in
die Hände bekam, war ein mausgraues Rentnermobil,
was aber eher ein Verlegensheitskauf war, da ich es günstig aus der Bekanntschaft
kaufen konnte. Von dem Teil war ich von Anfang an nicht begeistert. Die kleinen
harten Knubbelreifen haben jedes Schlagloch ungefiltert an die aufrecht
stehende Wirbelsäule weitergeleitet, was zu Folge hatte, dass sie nach jeder
Fahrt schmerzte. Zu allem Überfluss kippte ich mit dem Teil in eine
Schlammpfütze, da war der Spaß endgültig vorbei.
Zu diesem Zeitpunkt
habe ich bereits über den Kauf eines Handbikes nachgedacht, welches ich vor
meinen Rollstuhl spannen konnte. Schließlich konnte ich günstig eins im
Internet auftreiben. Es ist ein Handbike
von der Firma
Speedy. Hat ein 7-Gangnabe von Shimano und eine 2
Mountain-Drive-Handkurbel. Es hat also insgesamt 14
Gänge und ein Rücktritt, was für meine Zwecke erst einmal ausreichte. Ich fahre
dies Handbike in Kombination mit einem Sopur-Easy 300 Rollstuhl. Ein
Starrahmenrollstuhl wäre aber die bessere Wahl, weil er verwindungsfester und
auch leichter ist. Auf ebener Strecke kann ich mit dem Teil Geschwindigkeiten
von 3-6 km/h fahren und eine Strecke von 6-10 km. Dann ist die körperliche
Erschöpfung so groß, dass ich aufgeben muss, beziehungsweise wieder rechtzeitig
zuhause sein muss, um auszuruhen. Da die Beine ganz ohne Training bleiben, kam
dann auch schnell die Überlegung auf, ein Liegedreirad zu benutzen, eventuell
läst sich mit einem solchen Gefährt auch eine höhere Reichweite erzielen.
Schließlich bin ich nicht querschnittsgelähmt und habe noch geringe Restkräfte
von vielleicht 5% in den Beinen, die ich für ganz leichte Bewegungen noch
nutzen kann. Das erste was ich ausprobierte, war das Berkut
aus russischer Produktion. Hierbei handelt es sich um einen sog. Kurzlieger: 2
Vorderräder und hinter dem Sitz ein Hinterrad. Bemerkenswert ist der Antrieb
der Vorderräder über eine Kardanwelle, aber auch die etlichen Teile aus Titan,
um das Gewicht zu verringern. Nachteil der zu tief liegende Sitz, der das
Umsetzen vom Rollstuhl erschwert, aber auch die Übersicht im Straßenverkehr.
Zudem ist der Sitz auch sehr schmal und hart. Es ist zu befürchten, dass man
durch die auftretenden Fliehkräfte in den Kurven den Halt verliert. Von
Nachteil ist auch das zu hoch liegende Tretlager, was bei meiner fehlenden oder
eingeschränkten Beinkontrolle zu keinem harmonischen Rundtritt sorgt. Alles in
einem sagte mir das Gefährt nicht zu.
Das nächste, was ich
ausprobierte, war ein sog. Langlieger von der Firma
Hase. Es ist das Modell Lepus.
Die zwei Hinterräder befinden sich neben dem Sitz, wie auch beim Rollstuhl, so
dass man auch manuell rückwärts rangieren kann. Das Umsetzen bereitet keine
Probleme. Das Rad lässt sich aufgrund von etlichen Zusatz-Optionen optimal auf
die persönlichen Defizite abstimmen. Von Nachteil erscheint mir die
Bauartbedingte Länge von..220. cm. Da sich auf meinem
Rundkurs mehrere Verkehrsinseln befinden auf denen ich nicht verweilen könnte,
ohne Angst haben zu müssen, dass mich Autofahrer dezimieren. Ansonsten kam es
meinen Vorstellungen sehr nahe.
Wie dem auch sei, das
nächste was ich ausprobieren konnte, war das Anthrotech.
Bei diesem Trike handelt es sich um einen sog. Kurzlieger, es hat beide Räder
vorne und wird über eine Achsschenkellenkung gelenkt. Das Lenkverhalten
erweist sich als agil und sportlich aber keinesfalls nervös.
bei der Ausfahrt | Hydraul-Nabenbremse |
Die Tretkurbel liegt
tiefer als der Sitz, was sich bei meinen Motorikstörungen als positiv erweist.
Immer noch von Nachteil ist das Hin- und Herschlackern der Beine, was auch viel
Energie schluckt. Dieses Problem konnte ich mit Wadenhaltern von der schon
erwähnten Firma Hase beheben. Nun stand der ersten längeren Ausfahrt nichts
mehr im Wege. Das Fahren klappte wenn, auch sehr hakelig. Gefahren bin ich im 2
Gang mit 5 km/h, was im etwa der Stufe 2 auf dem Rollstuhlergometer entspricht. Jeder
geneigter Bürgersteig wurde zum Kraftakt. Besonders riskant, wenn die Autos
anfahren. Leider stellte sich nach etlichen Ausfahrten keine Besserung ein, so
dass ich auf die Idee kam, einen Elektromotor einbauen zu lassen. Nach etlichen
Vergleichen entschied ich mich für den Tretkurbelantrieb von Lohmeier-Leichtfahrzeuge.
Bei diesem Antrieb
treibt der Motor über eine Kette die Tretkurbel an, wenn man nur leicht in die
Pedale tritt und „Gas“ gibt. (pedelec, erfordert keine Mofa-Zulassung). Die
Tretkurbel fungiert gleichzeitig als Untersetzung mit Freilauf. Das große
Kettenblatt hat 52 Zähne und das mit ihm über einen Freilauf verbundene kleine
hat 18 Zähne, was dann über eine weitere Kette die Gangschaltung und darüber
das Hinterrad antreibt. Der Vorteil dieser Anordnung ist, dass sich der Motor
als gefederte Masse am Rahmen befindet und nicht so, wie bei anderen Antrieben als Nabenmotoren im
Rad, die als ungefederte in jedes
Schlagloch krachen. Was sicherlich auf kosten der Haltbarkeit geht.
Außerdem kostet dieser Antrieb auch mehr
Energie, da das Gewicht nach jeden Schlagloch wieder beschleunigt werden muss. Ein weiterer
Vorteil des Tretkurbelantriebes ist, die
Variabilität der hinteren Gangschaltung, was insbesondere die Tuningfreaks
interessieren dürfte.
T
Motor | Pelibox mit Zusatzakku |
Durch Ausnutzung der
Gangschaltung dreht der Elektromotor weitgehend im optimalen Drehzahlbereich,
was besonders beim Anfahren und am Berg die Energiereserven des Akkus schont.
Ich habe ein Shimano LX Schaltwerk in Kombination mit
der 3x7 Nabe von Sram. Nun zum praktischen Teil. Das Umsetzen ist alleine
möglich, aber etwas fummelig und zeitaufwendig, mit Hilfe geht es schneller.
Vor jeder Ausfahrt ist darauf zu achten, dass der Akku frisch geladen ist. Wenn
man nun leicht in die Pedale tritt und Gas gibt rauscht das Trike auch schon
los. Vorausgesetzt man hat einen niedrigen Gang drin. Durch schnelles
Hochschalten kommt man schnell auf 25 km/h, dann schaltet der Motor ab. Er
schaltet sich aber bei Unterschreitung automatisch wieder ein. Kurze und steile
Anhöhen schafft es ohne Probleme, längere Anstiege gehen auf Kosten
Akkukapazität, was man bei einer Reichweite von 15-17 km vorher einkalkulieren
sollte. Ich habe von Anfang kein Gefühl der Unsicherheit beim Fahren verspürt.
Dennoch vermeide ich der Sicherheit wegen den Berufsverkehr. Meine seitliche
Rumpfinstabilität kann ich durch das Abdrücken vom Lenker In den Sitz
kompensieren. Die Sitzlehne besitzt einen Lumbalknick und ist verstellbar, was ein schmerzfreies und
entspanntes Sitzen ermöglicht, wie auf dem Sofa zuhause. Zum Sonnen ist es aus
diesem Grund auch gut zu gebrauchen. Kopfstein, Schotter und Unebenheiten auf
Rasenwegen steckt das Trike auch mühelos weg.
Nachdem
meine Mutter das Trike ausprobiert hatte, konnte ich es abschreiben. Sie war so
begeistert von dem Teil, dass sie es gar nicht wieder hergeben wollte. Also
musste Ersatz her. Im Internet konnte ich schließlich ei neues erstehen. Diesmal
mit der 14-Gang Rohloffnabe, Scheibenbremsen und einem Federöldruckdämpfer. Der
gesamte Tretkurbelantrieb wurde auf mein neues Trike ummontiert. Die nun
gewonnen Vorteile machen sich jetzt besonders beim Schnellfahren (25 km/h) auf
unbefestigten Wegen bemerkbar Da meine Mutter noch über genügend Kraft verfügt,
5-10 km ohne Motor zu fahren, kam für sie als Zusatzantrieb der Crystalyte
Radnabenmotor von bobtec Serie 400,.. 36 V. in
frage. Die Vorteile: einfache Montage, geräuschlos und keine zusätzliche Kette.
Die Nachteile: an Steigungen muss man mittreten, da sonst die Gefahr besteht
stehen zu bleiben, auch der Stromverbrauch ist an der Steigung bei geringer
Drehzahl deutlich höher als beim Tretkurbelantrieb, was auf Kosten der
Reichweite geht. Da ich nun beide Antriebe im Vergleich testen konnte, würde
ich mich wieder für den Tretkurbelantrieb von Lohmaier entscheiden. Beide
Antriebe lassen sich mit einem kleinen Trick vom Pedelec- zum reinen
Elektroantrieb umstellen. Einen weiteren Tretkurbelantrieb gibt es jetzt auch
aus der Schweiz, er ist von http://www.bike-elektro-antrieb.ch
. Einen Hochleistungsakku mit hoher Ampereleistung gibt es von
A123, den ich aus Kostengründen auch noch nicht testen konnte. Getestet und
wieder zurückgegeben habe ich die Lithiumpolymerakkus von Hellpower. Zunächst
habe ich die 10 A Variante ausprobiert. Die allerdings beim Anfahren und am
Berg abschaltete. Nicht viel besser verhält sich dann der Versuch mit der 30
Ampere Ausführung. Nach der Zwangsabschaltung war eine Aktivierung des Akkus
nur durch eine Stromkreisunterbrechung möglich. Was nicht gerade ungefährlich
ist, wenn man gerade auf der Straße steht. Für gesunde Menschen dennoch
interessant, die nur eine Tretunterstützung in der Ebene wollen, da dieser Akku
im Verhältnis zur Leistung nur ein geringes Gewicht aufweist. Allerdings ist
die Überlastungssicherung zu sensibel. Jetzt fahre ich einem Lithium-Ionen-Akku
von http://www.bobtec.de , Molicel
IMR.26700A (Moli Energy Canada). Dieser Akku auf der Basis von Lithium/Mangan
ist besonders hochstromfest und zeigt auch beim Beschleunigen keinen
Spannungsabfall. Abgeschaltet hat er sich auch noch nicht, da er bis auf eine
40 Ampere Schmelzsicherung keine zusätzliche Elektronik besitzt. Die Reichweite
beträgt ohne mittreten 30 km und die Höchstgeschwindigkeit ebenfalls ohne
mittreten 35 km/h, da er statt 24V 28V hat. Was die Langlebigkeit betriff kann
ich noch keine Aussage machen. Bis jetzt ist der Akku 3 Jahre im Einsatz und zeigt keine ermüdungserscheinungen.
Eine deutlich höhere Langlebigkeit soll die weiterentwickelte Zelle IBR.26700A bei gleicher Hochstromfestigkeit
haben. Diese Akkus benötigen aber ein BatterieManegmentSystem (BMS) z.B. wird dieses BMS PCML 12S40-367
von BE-Power gleich mit eingebaut. Diese Zelle besteht aus Lithium-Mangan und Nickel-Mangan-Cobalt Oxid (Spineltyp) in der positiven Elektrode
Kohlenstoff in der negativen Elektrode.
Als Referenz konnte
ich bei einer Produktvorführung meines Sanitätshauses den Elektrorollstuhl Adventure von Alber ausprobieren.
Er ist voll gefedert und soll auch für das Gelände geeignet sein. Was mir
gleich auffiel ist, wenn man zu schnell Gas weg nimmt, läuft man Gefahr, mit
dem Rumpf nach vorne zu kippen und Kontrolle über die Lenkung zu verlieren. Was
sich aber sicherlich durch ein optimales Einstellen auf die eigene Behinderung
relativieren lässt. Um ein objektives Urteil fällen zu können, müsste ich ihn
über einen längeren Zeitraum in meinem Gelände testen können. Dasselbe gilt
auch für den Geländerollstuhl Trax von Permobil, den ich noch gar nicht
testen konnte.
Mein Fazit als
ehemaliger Autofahrer und Radfahrer: Das Anthrotech-Trike
stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein optimales Fahrzeug für den
Freizeitbereich dar. Das Dahingleiten auf den Straßen und durch die Parks
meiner Stadt ist das reinste Vergnügen. Es besteht Suchtgefahr. Wenn es aber
nach mir ginge, würde ich mir nach meinen eigenen Vorstellungen eine ganz neue
Fahrzeuggattung konstruieren. Leider fehlen mir die Möglichkeiten, ein solches
Projekt zu verwirklichen. Wenn sich jemand angesprochen fühlt oder noch
Inspirationen braucht, würde ich mich freuen, wenn er
sich mit mir in Verbindung setzt. (Ulrich.Schwick ät t-online.de, ät=@)
Besonders auf der
Autobahn lässt sich der E-Motor voll ausfahren.
Wichtiger Sicherheitshinweis:
Spezialpedale Pedale mit Haken und Riemchen oder Spezialpedale mit Wadenhalter der Fa.Hase verhindern
zuverlässig, dass die Beine z.B. bei Überfahren von Schlaglöchern oder Baumwurzeln von den Pedalen rutschen
und unter den Querholm der Rades geraten. Letzteres kann zu unangenehmen Verletzungen führen.
Eine kleines Video kann man sich hier ansehen:
Anthrotech-Video
Dieser Bericht kann als PDF-Datei hier runtergelden werden: Mein Anthrotech